Coming out

Bin ich anders?

Heute ist dieses Anderssein nicht mehr so aussergewöhnlich. Die Zeiten, in denen man uns für krank oder pervers erklärt hat, sind zum Glück ziemlich vorbei.
«Warum», so fragst Du Dich jetzt vielleicht, «fühle ich mich denn nicht so wie alle anderen?» Dafür gibt es viele Gründe.
Zum Beispiel werden Schwule und Lesben kaum mehr offen diskriminiert, aber mit Homosexualität wird im Alltag nach wie vor nicht gleich umgegangen wie mit Heterosexualität: In Zeitschriften und Zeitungen, in Filmen und am Radio, in der Werbung oder auf der Strasse ist (mit wenigen Ausnahmen) meist nur Heterosexualität in allen Farben und Formen sichtbar.
Du musst Dich ausdrücklich als Lesbe oder Schwuler zu erkennen geben, bevor jemand auf den Gedanken kommt, dass Du möglicherweise nicht hetera oder hetero bist.
Du bist auch anders, weil Du Dich mit etwas auseinandersetzt, mit dem eine «normale» Frau oder ein «normaler» Mann nie konfrontiert wird: Du machst Dir über Deine sexuelle Identität Gedanken, entdeckst Dich und Deine Gefühle, Wünsche, Ängste…
Du schlägst Dich mit Themen wie «Wie sag› ich es meinen Eltern?» und «Wie werden wohl meine Kolleginnen und Kollegen reagieren?» herum.
Dieser Prozess gibt Dir einen neuen Blickwinkel fürs Leben, der vielen anderen verborgen bleibt. Auch das macht Dich anders.

Es gibt aber keinen vernünftigen Grund, Dein Anderssein zu fürchten oder Dich deswegen verunsichern zu lassen.
Im Gegenteil: Geniesse es, sei stolz drauf und ziehe alle Register für Dein «Spiel des Lebens». Sei, was Du willst – sei Du selbst.
Wahrscheinlich weisst Du in Deinem Innern schon sehr genau, was Du fühlst und was Du willst. Aber Deine Freunde und Freundinnen, Deine Eltern und Geschwister ahnen noch nichts.
Nun, es ist Deine Entscheidung, wem und wann Du Dich anvertrauen willst. Lass Dich zu nichts drängen, wenn Du Dich Deiner selbst noch nicht sicher bist.
Anderseits ist es ein schönes und befreiendes Gefühl, wenn die Menschen, die Du magst, über Dich und Deine Gefühle Bescheid wissen – und Du Dich nicht mehr hinter einer Scheinfassade verstecken musst. Es ist einfach wunderbar, wenn Dein neuer Freund oder Deine neue Freundin ganz selbstverständlich in Deiner Familie und bei Deinen FreundInnen aufgenommen wird.

Vielleicht hilft es Dir, wenn Du Schritt für Schritt Dein Coming-out machst. Rede mal mit einer guten Kollegin oder einem guten Kollegen. Sei nicht erstaunt, wenn sie oder er gar nicht sonderlich schockiert, sondern sogar interessiert ist. Du wirst sehen, dass es Eure Beziehung sogar vertiefen kann.
Und wenn Du doch enttäuscht wirst, mach Dir nichts draus! Wer Dich nicht auch mit Deinen schwulen oder lesbischen Gefühlen mag, ist kein wirklicher Freund oder keine wirkliche Freundin.
Vertraue Dich dann auch anderen Menschen an, mit denen Du viel zusammen bist. Und irgendwann wirst Du Dich dann auch Deinen Eltern anvertrauen. Jetzt weisst Du auch, wie andere auf Dein Schwul- oder Lesbischsein reagieren und kannst selbstsicher zu Dir stehen…

(aus Coming out Day)
Weitere Links: Kurt Wiesendanger

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